Von Philipp A. Rauschnabel, Anja von Bosse, Dominik O.W. Hirschberg und Sarah Schmid
[eine englische Version sowie ein PDF-Download mit mehreren Diagrammen wird bald folgen]
Nahezu alle großen Technologiekonzerne setzen derzeit große Hoffnungen in Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Vor dem Hype um das Metaverse von vielen noch kaum wahrgenommen, kochen heute die Erwartungen an neue Erlebniswelten, Use Cases und Geschäftsmodelle hoch. Insbesondere AR Brillen, die virtuelle Elemente in die reale Umgebung einbetten können, sind ein vielversprechender Zukunftstrend. Häufig wird dabei nicht berücksichtigt, wie die Menschen tatsächlich darauf reagieren. In einer aktuellen Studie (Datenstand April 2023) gehen wir dieser Frage nach. Konkret interessieren uns drei Fragen:
- Wie stehen Menschen zu AR Brillen?
- Welchen Marken trauen Menschen zu, AR Brillen erfolgreich auf den Markt zu bringen?
AR Headsets: Vertrauen in Apple und andere etablierte Marken
Wir haben die Probanden gefragt, ob sie sich vorstellen können, dass Marken solche AR Brillen erfolgreich auf den Markt bringen können – unabhängig davon, ob man selbst ein solches Wearable Device nutzen würde oder nicht. Damit messen wir letztendlich eine Art wahrgenommene AR-Hardware-Kompetenz. Die Prozentwerte beziehen sich nur auf Personen, die die Marken auch kennen, d.h. eine Marke wie Google mit nahezu 100% Markenbekanntheit wurde von mehr Personen bewertet als eine eher unbekannte Marke wie z.B. HTC.
An der Spitze stehen Samsung (92%) und Apple (90%), gefolgt von Microsoft (87%), Google (85%) und Sony (84%). Das hohe Vertrauen in Apple und Samsung lässt sich dadurch erklären, dass diese Unternehmen bereits als zuverlässige Partner für Smartphones und andere Technologien – wie Smartwatches, Kopfhörer, Tablets etc. Das Vertrauen der Menschen in diese Marken überträgt sich auch auf Konzepte, die für die meisten noch sehr futuristisch erscheinen – in diesem Fall eben Smart Glasses.
Interessanterweise belegt Meta Inc., das Unternehmen, das seit dem Aufkauf von Oculus führend bei VR-Brillen ist und auch intensiv in die Entwicklung von AR investiert, nur den Mittelfeldplatz (52%). Laut einer Reuters Mitteilung aus dem letzten Jahr investiert Meta sogar mehr in AR als in VR. Ähnlich wird der Mitbewerber HTC eingeschätzt (48%). Dem Durchschnittskunden dürften diese Aktivitäten und bisherigen Erfolge wohl noch nicht bekannt sein.
Snap Inc., das bereits Erfahrung mit AR und Wearables hat, bildet das Schlusslicht. Diese Ergebnisse sind überraschend, da Snap Inc. mit seinen beliebten Lenses, Kamerabrillen und einer AR Brille im Beta-Stadium bereits Erfolge verbuchen konnte.
Für die Interpretation raten wir, die Unterschiede zwischen den Marken heranzuziehen und nicht unbedingt (nur) die jeweiligen Prozentwerte.
Skepsis gegenüber AR Brillen
Jeder siebte Befragte (14%) kann sich bereits vorstellen, AR Brillen im Alltag zu nutzen. Allerdings ist auch die Skepsis groß: 38% der Befragten lehnen die Möglichkeit AR Brillen zu nutzen teilweise oder vollständig ab. Dabei zeigen sich Männer (17%) offener gegenüber AR Brillen als Frauen (11%). Das bedeutet nicht, dass nur 14% der Deutschen jemals eine solche Brille kaufen werden – es bedeutet auch nicht, dass man die 38% nie erreichen kann. Die Ergebnisse zeigen lediglich, dass jeder Siebte dazu jetzt schon grundsätzlich bereit wäre und mehr als jeder Dritte (noch) Bedenken hat. Wenn aber viele Menschen offen für so etwas sind, kann dies dazu führen, dass sie die Technologien im persönlichen Umfeld positiv diskutieren.
Doch woran liegt diese Zurückhaltung?
Diese Gründe wurden in der aktuellen Studie nicht im Detail untersucht. Aus bisherigen Studien (siehe weiterführende Literatur) im Consumerbereich kennen wir aber einige Gründe, wie z.B.:
- Verfügbarkeit – bis auf die nreal light gibt es quasi keine Brillen, die für Endverbraucher nützlich sind. Und selbst die nreal light ist alles andere als ausgereift.
- Mangelndes Wissen über die Technologie und deren Nutzen (funktional, hedonisch, sozial etc.)
- Privatsphäre, insbesondere die von anderen Menschen
- wahrgenommene Gesundheitsrisiken (physisch und psychisch)
- Ergonomie und Design bzw. überhaupt die Tatsache, eine Brille zu tragen
- Angst vor der Reaktion anderer Menschen
- Preis, Verfügbarkeit und soziale Normen
- Soziale und ethische Bedenken, generelle Technologieskepsis
Ein Blick in die Zukunft: Apple und der Weg ins Metaverse?
Ein möglicher Höhepunkt für den aufstrebenden XR Markt könnte Anfang Juni auf der Entwickler-Konferenz WWDC 2023 bevorstehen, wenn Apple möglicherweise eine neue Brille vorstellt. Seit Jahren beobachten wir die Aktivitäten von Apple – insbesondere die Zukäufe von Patenten und Unternehmen.
Es gibt sehr viele Gerüchte über eine XR Brille, die sowohl AR als auch VR kann. Im Kern handelt es sich um ein „VR“-Device, das aber mittels Frontkameras über einen sogenannten „Pass-Through-Modus“ verfügen soll – diskutiert wird dies unter den Begriffen XR-Brille oder „Mixed Reality-Brille“ (ein Begriff, den wir hier eher unglücklich finden, siehe LINK). Das bedeutet, dass der Livestream der Kameras in Echtzeit mit künstlichen Inhalten in Echtzeit angereichert wird. Bei anderen Geräten, wie z.B. der Microsoft Hololens Brille, handelt es sich um Optical See-Through Displays. Vereinfacht gesagt handelt es sich dabei um transparente Displays. Es werden nur die virtuellen Elemente eingeblendet, alles aus der direkten Umgebung wird „analog ins Auge“ projiziert. Diese Displays sind jedoch deutlich komplexer und haben zum jetzigen Zeitpunkt noch einige Nachteile (z.B. kleineres Sichtfeld / „Field of View“, schlechtere Kontrastwerte etc.)
Methodik
Wir haben im April 2023 über 500 Personen zwischen 18 und 87 Jahren über ein professionelles Online Access Panel befragt. Männer und Frauen sind darin annähernd gleichmäßig vertreten. Die Studie haben wir im Rahmen unserer Arbeit an der Universität der Bundeswehr München durchgeführt und darin verschiedenen Themen zu AR abgefragt. Die hier aufgelisteten Ergebnisse stellen nur einen Teilbereich dar.
Bei der Lektüre sollte berücksichtigt werden, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt. Wir raten dazu, bei der Interpretation der Prozentwerte insbesondere die Vergleiche zwischen den Marken heranzuziehen.
Download
In Kürze stellen wir eine Präsentation als PDF online zum kostenlosen Download bereit. Schaut einfach wieder vorbei!
Weiterführende Literatur
Rauschnabel, P. A., Felix, R., Hinsch, C., Shahab, H., & Alt, F. (2022). What is XR? Towards a framework for augmented and virtual reality. Computers in Human Behavior, 133, 107289.
Rauschnabel, P. A. (2018). Virtually enhancing the real world with holograms: An exploration of expected gratifications of using augmented reality smart glasses. Psychology & Marketing, 35(8), 557-572.
Rauschnabel, P. A., He, J., & Ro, Y. K. (2018). Antecedents to the adoption of augmented reality smart glasses: A closer look at privacy risks. Journal of Business Research, 92, 374-384.